Frauenwünsche umsetzen
Seit gut einem halben Jahr ist Fei Kaldrack Frauenreferentin der Berliner Aids-Hilfe. Mit ihrer halben Stelle kann sie nur einen Bruchteil ihrer zahlreichen Ideen umsetzen. Sophie Neuberg hat mit der umtriebigen Vertreterin von Fraueninteressen gesprochen.

Ende Oktober 2012 startete Fei Kaldrack als Frauenreferentin der Berliner Aids-Hilfe. Vorher hatte die 33Jährige im Bereich Antidiskriminierung sowie in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung gearbeitet, wobei vor allem ihre Qualifikation als Politologin gefragt war. Doch ihre zusätzlichen Ausbildungen als systemische Familien- und Sozialtherapeutin und als Fachberaterin für Psychotraumatologie kamen ihr dabei zu kurz. Die Stelle als Frauenreferentin bei der Berliner Aids-Hilfe kam außerdem ihrem Wunsch entgegen, sich für Frauen zu engagieren.
Heute führt sie Beratungsgespräche, organisiert kulturelle Veranstaltungen und Gruppentreffen und setzt sich für die Interessen von HIV-positiven Frauen ein. Die halbe Stelle reicht hinten und vorne nicht, um ihre zahlreichen Ideen umzusetzen.
Als Fei Kaldrack bei der Berliner Aids-Hilfe anfing, stand das alljährliche beliebte Frauenweihnachtsfest bevor, so dass umgehend ihr Organisationstalent gefragt war. Das Fest, das jedes Jahr von ca. 60 bis 70 Frauen besucht wird, war ihr aber auch ein willkommener Anlass, die Wünsche der Frauen abzufragen und ihre Bedarfe zu ermitteln. Mit Hilfe eines Fragebogens schlug sie verschiedene Ideen vor und erkundigte sich, welche Veranstaltungen erwünscht waren. So konnte sie beispielsweise erfahren, dass der seit Jahren bei der Berliner Aids-Hilfe angebotene Yoga-Kurs ein Renner ist, den Frauen teilweise schon lange besuchen und auf keinen Fall missen möchten. Aber auch Veranstaltungen zum Thema Gesundheit und gemeinsame Ausflüge in entspannter Atmosphäre waren gefragt. Anschließend entwickelte sie das Jahresprogramm für 2013 und versuchte dabei, diese Wünsche zu berücksichtigen und umzusetzen.
Es wurde auch deutlich, dass „die (offene) Beratung sehr wichtig ist, um den Frauen in schwierigen Lebenslagen Unterstützung anzubieten und Fragen rund um (die eigene) HIV-Infektion und sexuell übertragbare Infektionen Raum zu geben.“ Es kann dabei um den Umgang mit der HIV-Infektion, um Beziehungsthemen, Lebenskrisen oder Kinderwunsch ebenso gehen wie um Probleme mit dem Jobcenter oder finanzielle Notlagen. Die Frauenberatung findet immer montags von 13.00 bis 16.00 Uhr sowie nach Vereinbarung statt.
Keine einheitliche Gruppe
Im Frühjahr fanden bereits ein Theater- und ein Filmabend statt sowie eine Abendveranstaltung zum Thema Frauengesundheit. Dabei stellte sich heraus, dass Anspruch, Wunsch und Wirklichkeit auseinander fallen können. HIV-positive Frauen sind nun mal keine einheitliche Gruppe und während die einen es begrüßten, ein politisches Theaterstück im Maxim-Gorki-Theater zu besuchen, hätten sich andere leichtere Kost gewünscht, erzählt Fei Kaldrack. Berufstätige Frauen können keine Termine tagsüber wahrnehmen, während andere mit Kindern abends nicht aus dem Haus können. Zwischen diesen Polen muss Fei Kaldrack mit ihren Angeboten navigieren und nach und nach herausfinden, „was die Frauen motiviert, eine Veranstaltung auch zu besuchen, denn nicht immer werden die gewünschten Angebote dann auch tatsächlich gut genutzt“.
Neu ist auch der Flyer mit dem Jahresprogramm. Um die Frauenangebote der Aids-Hilfe bekannter zu machen, wurde dieser Arztpraxen mit HIV-Schwerpunkt, Frauengesundheitszentren, Krankenhäusern sowie weiteren Einrichtungen, die HIV-positive Frauen ansprechen, zugeschickt.
Auch wenn weiterhin HIV-positive Menschen, insbesondere Frauen, unter den Langzeit- und Nebenwirkungen der Medikamente leiden, ist ihre Lebenserwartung und auch Lebensqualität aufgrund der medizinischen Veränderungen heutzutage deutlich verbessert. Zudem senkt eine erfolgreiche Therapie auch ganz erheblich das Risiko, andere Menschen mit dem HI-Virus anzustecken. Trotz dieser Veränderungen sind Positive, insbesondere Frauen, weiterhin vielen Vorurteilen und Ausgrenzung ausgesetzt. „Die gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der HIV-Infektion, sowie teilweise Erfahrungen mit Sexismus, gegebenenfalls Rassismus oder gar Gewalt greifen natürlich meist auch das Selbstwertgefühl der Frauen an“, stellt Fei Kaldrack fest. Deshalb sei ihr die Stärkung des Selbstbewusstseins der Frauen, im Sinne eines „Empowerment“ oder Selbstermächtigung, ein wichtiges Anliegen. Schon in diesem Jahr wird ein Workshop stattfinden, bei dem es darum geht, „die eigene Kraft zu spüren, sich durchzusetzen und sich selbst Wert zu schätzen“ (30./31. August).
Bereits Ende Juni fand ein Kaffee- und Kuchennachmittag statt, bei dem gespendete Kleider der Designerin Ricarda M. anprobiert und mitgenommen werden konnten. Am 30. Juli können Blumenpracht und Bäume bei einem Ausflug in den Botanischen Garten genossen werden (30.7., 15.00 Uhr). Interessentinnen können sich auch noch bei Fei Kaldrack für die Herbstreise melden, voraussichtlich ans Meer bzw. an einen See, eine Möglichkeit, gemeinsam etwas zu unternehmen und dabei viel Zeit für Austausch und Aktivitäten zu haben.
Im Spätsommer soll das neue Lokal „Ullrichs“ (vormals Café PositHIV) im Erdgeschoss der Berliner Aids-Hilfe in der Einemstraße/Ecke Kurfürstenstraße eröffnen, so dass der Frauenstammtisch wieder starten könnte, ebenso wie ein bereits geplantes gemeinsames Kochen (28.10., 12.30 Uhr). Anmeldung und Informationen zu den Veranstaltungen für Frauen unter fei.kaldrack@berlin-aidshilfe.de oder 030/ 88 56 40 26. Hier gibt es alle Angebote im Überblick.
Es gehe aber auch darum „Räume zu öffnen, wenn es Bedarf gibt, etwas selber zu machen“, erklärt Fei Kaldrack. Wenn HIV-positive Frauen eine Gruppe zu einem bestimmten Thema gründen und gestalten möchten, eine Idee für Gruppenaktivitäten haben, aber nicht wissen, wie sie diese umsetzen sollen, können sie sich von daher mit ihrem Anliegen an die Frauenreferentin wenden. Wetten, dass sie es möglich macht?