Frauen, HIV und Stigma
Das Forschungsprojekt „positive stimmen“ hat 1148 Menschen mit HIV dazu befragt, wie sie Stigmatisierung und Diskriminierung erleben – unter ihnen 280 Frauen. Ute Hermann und Carolin Vierneisel haben die Daten nun mit Blick auf frauenspezifische Ergebnisse ausgewertet:
- Die soziodemografischen Daten zeigen, dass die befragten Frauen älter und länger infiziert sind als die befragten Männer. Sie geben ein geringeres Bildungsniveau, seltener eine volle Erwerbstätigkeit und eine schlechtere Einkommenssituation an. Die Lebenssituationen der Frauen sind dabei vielfältig: 28 Prozent geben einen Migrations- und 26 Prozent einen Drogenhintergrund an, 11 Prozent bezeichnen sich als aktuell oder ehemals lesbisch und zehn Prozent sind oder waren in der Sexarbeit aktiv.
- Viele der befragten Frauen haben Diskriminierung im Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin erlebt (z. B. bei Sterilisationen oder Abtreibungen). Allgemein wurde einem Viertel der Frauen in den zwölf Monaten vor der Befragung mindestens einmal ein Gesundheitsdienst wie zum Beispiel eine Zahnbehandlung verweigert.
- Fast 45 Prozent der Frauen erlebten in den zwölf Monaten vor der Befragung auch im sozialen Umfeld Diskriminierung und Stigmatisierung aufgrund ihrer HIV-Infektion – darunter Tratsch, Beleidigungen und tätliche Angriffe.
- Über 40 Prozent haben Angst vor sexueller Zurückweisung, lediglich 30 Prozent der befragten Frauen berichten über aktuelle sexuelle Kontakte.
- Im Jahr vor der Erhebung haben sechs Prozent der erwerbstätigen Frauen eine Einkommensquelle aufgrund von Diskriminierung im Zusammenhang mit HIV verloren.
- Frauen, die sich im HIV-Bereich engagieren und an Selbsthilfegruppen teilnehmen, erleben weniger negative Gefühle im Zusammenhang mit ihrer HIV-Infektion.
Die Ergebnisse, so die Autorinnen, unterstrichen die besonders vulnerable Lebenssituation von Frauen mit HIV: Neben dem Leben mit HIV hätten viele Frauen weitere Erfahrungshintergründe, die es wahrscheinlicher machten, dass sie in ihrem Leben Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt seien. Erforderlich seien folglich auf die verschiedenen Lebenssituationen von Frauen mit HIV abgestimmte Programme, die sie in der Auseinandersetzung und Bewältigung von negativen Erfahrungen stützten. Darunter falle auch die Förderung von Selbsthilfestrukturen, die den Austausch und die Unterstützung untereinander ermöglichten.
(hs)
Weitere Infos:
„positive Stimmen“ - der PLHIV Stigma-Index in Deutschland:die frauenspezifischen Ergebnisse